„Die Pflege kann mehr als sie darf“: Besuch im Caritas-Zentrum Wenden schärft Blick der politischen Vertreter

Im Austausch mit den heimischen SPD-Vertretern wurde einmal mehr deutlich: Die Pflege braucht mehr Zuwendung! Neben dem Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften kränkelt das System „Pflege“ vor allem an der Finanzierung. „Gute Pflege darf kein Luxusgut werden“, waren sich die Gäste um Bundestagsmitglied Nezahat Baradari und Landtagsabgeordnete Marie-Christin Stamm bei ihrer Stippvisite im Caritas-Zentrum Wenden einig. Gemeinsam mit der Zentrumsleitung und den Verantwortlichen aus Verwaltung und Pflege wurde über die anhaltende Kostenexplosion und die daraus resultierende Notwendigkeit einer umfassenden Reform sowie Verschlankung der Strukturen diskutiert, um Pflege auch zukünftig bedarfsgerecht „Nah. Am Nächsten.“ gewährleisten zu können.
Das Interesse der siebenköpfigen Abordnung der heimischen SPD an den vielfältigen Versorgungsleistungen für ältere Menschen „unter einem Dach“ im Altenhofer Weg 1 war groß. Zentrumsleitung Silke von Bültzingslöwen, Pflegedienstleitung Carina Bröcher sowie Verwaltungsleitung Martin Sweeney freuten sich, dass die Politikerin auf Bundesebene den Weg in dieses „besondere Zentrum“ gefunden hat. Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Wendener Sozialdemokraten informierte sie sich über das hochmoderne Seniorenzentrum, das neben dem ambulanten Dienst, 80 stationären Plätzen für pflegebedürftige Menschen und zwei Tagespflegen auch den Hospizdienst Camino sowie eine inklusive Verbundküche beherbergt, die kreisweit Personen mit bis zu 1.500 Mahlzeiten am Tag versorgen kann.
Finanzielle Verbesserungen halten mit Inflation nicht Schritt
Im Gespräch erläuterte Silke von Bültzingslöwen das stationäre Konzept vor Ort, das ein „Leben in Wohngruppen“ ermöglicht. „Unser Ziel ist es, mit Hilfe unseres umfangreichen Angebotes die bestmögliche Pflege, bedarfsgerechte Versorgung und Betreuung in Gemeinschaft und Fürsorge für die wachsende Anzahl an betroffenen Menschen in der Gemeinde Wenden sicherzustellen.“ Der Rundgang im Haus verdeutlichte: Hier steht das Wohlergehen der Bewohnenden im Mittelpunkt. Modernste Technik, barrierefreie Räumlichkeiten und ein Service mit Herz runden das vielfältige Leistungsportfolio ab. „Unsere Wartelisten für die stationäre Aufnahme im St. Josefsheim und die Kurzzeitpflege sind lang“, bestätigte Pflegedienstleitung Carina Bröcher. So markiere auch die Zahl der Interessenten für die 18 Service-Wohnungen, die voraussichtlich Anfang 2026 im komplett sanierten „Altbau“ an den Start gehen, die wachsenden Bedarfe und zeige, dass Pflege und entsprechende Versorgungs- und Wohnformen im Alter neu gedacht werden müssen.
„Doch so umfassend und notwendig unser Angebotsspektrum für ältere und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen auch ist, so finanziell belastend und kaum noch abbildbar wird es in naher Zukunft werden“, gab Silke von Bültzingslöwen klar zu verstehen. Zudem lassen gesetzliche Anforderungen und Regelungen die Pflege zu einem Balance-Akt für Träger und Dienste der Alten- und Krankenhilfe, angegliederte Kostenträger und Selbstzahler werden. „Für Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen sind die Eigenanteile der Kosten ihrer Unterbringung und Versorgung – trotz jüngster Gesetzesänderungen und inzwischen eingeführter Entlastungszuschläge – deutlich gestiegen.“ Grund seien vor allem steigende Tariflöhne für dringend benötigte Pflegekräfte, aber auch zunehmende Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen in den Einrichtungen.
Branche im Katastrophenmodus: „Es braucht ein Viel-Mehr!“
Gestiegene Investitionskosten für Gebäude, Ausstattung und Instandhaltung werden gegenwärtig auf die Bewohnenden umgelegt, teilte Verwaltungsleitung Martin Sweeney mit. Hinzu kämen administrative Belastungen wie verzögerte Vergütungsverhandlungen mit Kostenträgern sowie die gesetzliche Forderung, Krisen- und Notfallpläne zu erstellen. „Das wirtschaftliche Risiko für Träger und Einrichtungen ist enorm“, so Sweeney, der betonte, dass diese Faktoren auch die Kommunikation nach außen erschweren. „Von der Unzufriedenheit und Not der Betroffenen einmal ganz zu schweigen“, brachte es auch Pflegedienstleitung Carina Bröcher auf den Punkt, die mitteilte, dass vermehrt Pflegewohngeld- und Sozialhilfeanträge gestellt werden müssen, um sich Pflege überhaupt noch leisten zu können. „Die finanziellen Verbesserungen halten mit der Inflation nicht Schritt. Hierzu wäre es sinnvoll, die Eigenanteile zu begrenzen, um Pflege langfristig zu sichern und die Pflegebedürftigen und ihre Familien spürbar zu entlasten“, sind sich die Caritas-Mitarbeitenden einig.
Noch gelinge es dem Caritasverband Olpe, das Pflege-Niveau zu halten und entsprechende Versorgungsleistungen kreisweit anzubieten – doch „wie lange noch?“, fragen sich die Verantwortlichen. Zwar laufe die Integration von Fachkräften aus dem Ausland gut, doch auch hier kämpfe man oftmals „gegen bürokratische Mühlen“. Wenn es um die Anerkennung des Ausbildungsstatus geht, die sich über ein Jahr lang hinziehe oder das gesetzlich vorgeschriebene Sprachniveau, steige die Frustration bei alle Beteiligten. „Die sehr gut ausgebildeten ausländischen Pflegefachkräfte fühlen sich oftmals degradiert“, wusste Carina Bröcher zu berichten.
Kompetenzen von Pflegefachkräften stärken
Daher der dringliche Appell und Wunsch an die politischen Entscheider, der auch von Nezahat Baradari und den SPD-Vertretern unisono vorgebracht wurde: „Um bei unseren sozialen Errungenschaften keine Abstriche machen zu müssen, braucht es ein ‚Viel-Mehr‘ an Bewusstseinsschaffung, an Verschlankungen in bürokratischen Abläufen sowie an gestärkten Kompetenzen für Pflegefachkräfte aus dem In- und Ausland gemäß ihrer Qualifikationen.“ Da sei es nicht mit einer Erhöhung des Pflegegeldes oder der Leistungszuschläge getan, wenn an anderer Stelle die Kosten explodieren und die Hürden größer würden, so Baradari, die sich für eine Zusammenlegung der privaten und gesetzlichen Pflegekassen aussprach. „Leistungen müssten variabler gestaltet werden und alternative, bezahlbare Wohnformen für eine Pflege bis zum Lebensende geschaffen werden.“
Allen schlechten Nachrichten zum Trotz: Für Pflegeberufe sind die Aussichten heute besser denn je. Nicht nur, weil der Job krisenfest ist und Sinn stiftet. „Es ist an der Zeit, mit dem Mythos der schlecht bezahlten Pflegekräfte aufzuräumen. Die gesetzliche Tarifbindungspflicht hat in der gesamten Branche nochmals einiges bewegt. Zudem investiert der Caritasverband Olpe viel, um die Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeitenden optimal zu gestalten“, weiß Verwaltungsleitung Martin Sweeney. „Es wird einiges unternommen, den Pflegeberuf wieder attraktiv zu machen, der auch ungeahntes Potenzial bietet.“
Das liege nicht zuletzt an neuen Ausbildungsgängen und Möglichkeiten der Qualifizierung, die die Attraktivität der Profession „Pflege“ steigern. So gehe es in der Ausbildung nicht nur darum, kranke und pflegebedürftige Menschen fachkundig zu versorgen, sondern auch um Beratung und Anleitung, um Prävention – und darum, Pflegebedürftigkeit gar nicht erst entstehen zu lassen oder zu lindern. „Endlich stärkt auch die Politik den beruflich Pflegenden fachlich den Rücken“, so Nezahat Baradari. Das neue Pflegestärkungsgesetz gesteht den Pflegekräften gemäß ihrer Qualifikationen künftig mehr Kompetenzen und Entscheidungen in der Versorgung zu – ohne Rücksprache mit Ärztinnen oder Ärzten. „Ein längst notwendiger Schritt.“
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Um den „Katastrophenmodus in der Pflege“ zu verlassen, braucht es notwendige Reformen und Anpassungen, sind sich die Verantwortlichen des Caritas-Zentrums Wenden zusammen mit der Abordnung der SPD-Fraktion um Nezahat Baradari (vordere Reihe 3. v. li.) einig.
Wenden, 24.06.2024
Janine Clemens, PR & Fundraising