Caritas fragt nach… Politische „Elefantenrunde“ zu Kernthemen

Neu-Listernohl. Schwer beladen mit Themen, die mehr denn je Gewicht haben, startete der Caritasverband Olpe in die politische Offensive: Knapp vier Wochen vor der Wahl zur 20. Legislaturperiode ließen sich Nezahat Baradari (SPD), Florian Müller (CDU) und Holger Thamm (Bündnis 90/Grüne) von Vertreterinnen und Vertretern des Sozialverbandes in der Akademie Biggesee auf den Wahlprüfstand stellen.
Der breit aufgestellte Fragenkatalog zu Themen dieser Zeit zeigte, dass der Caritasverband Olpe mit Nachhaltigkeit und Nachdruck um politische Einflussnahme und Positionierung bemüht ist. „Der Countdown läuft. Nach der Bundestagswahl am 26. September wird die neue Bundesregierung vor großen Herausforderungen stehen, unsere „neue Normalität“ zu gestalten. Wofür die Kandidaten aus unseren Wahlkreisen stehen, ist nicht immer leicht in Erfahrung zu bringen“, so Caritasvorstand Christoph Becker. Umso wichtiger sei es zu verdeutlichen, wohin die Politik in der nächsten Legislaturperiode steuert und welchen klaren politischen Rahmen die Parteien verfolgen, um die Krisen unserer Zeit zu bewältigen.“
Zentrale Bedürfnisse in den Blick nehmen
Im Fokus des Austausches standen dabei caritasnahe Themen wie Pflege, Altersarmut und Rente, Digitalisierung, Teilhabe und Bildung. Auch die kommunale Politik sei in der Pflicht und müsse die Weichen für lebendige Städte, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Aufschwung mit digitalem Wandel stellen. Angesprochen auf Missmanagement, Lobbyismus und Glaubwürdigkeit in den eigenen Reihen verwies die „Polit-Prominenz“ einheitlich auf einen zu vermittelnden Wertekonsens und möglichst viel Transparenz von Seiten der Parteien. „Echte Demokratie“ müsse gelebt, fortentwickelt und verteidigt werden, so Nezahat Baradari nachdrücklich. Große Einigkeit herrschte beim Thema Bildung und Digitalisierung, die einhergehe mit Sicherheit und Teilhabe. Ausgereifte Konzepte für Schulen und flächendeckendes Internet seien hier nicht mehr zu diskutieren. Ebenso die soziale Absicherung im Alter.
Prinzip Gemeinwohl: Gesellschaftlicher Zusammenhalt als Motor
Der Konsens: Eine Rente mit 70 darf es nicht geben, eine Grundrente stehe jedem zu, der jahrzehntelang „gebuckelt“ habe. Die Gesellschaft müsse dies honorieren, so Florian Müller mit Verweis auf das Prinzip Gemeinwohl und Partizipation. Gegen eine flexible Gestaltung des Renteneintritts im Einzelfall spreche jedoch nichts. Massiven Handlungsbedarf sehen alle drei Politiker in der Kindergrundsicherung. Die Pandemie habe die Defizite im sozialen Bereich verstärkt, gerade auch für Familien. Hier müsse etwas geschehen, damit die Schere nicht immer weiter auseinanderklafft.
Mit Blick auf die demografische Entwicklung und den Fachkräftemangel sprach sich SPD-Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari für eine regulierte Einwanderung für Fachkräfte aus anderen Ländern, eine bessere Willkommenskultur, verlässliche Tariflöhne und mehr kompetenzübergreifendes Reagieren aus. Bessere Arbeitsbedingungen seien unabdingbar, gerade in der Pflege. Das „Caritas-initiierte Triell“ erhielt Brisanz, als es um die generalistische Pflegeausbildung ging. Diese bezeichnete Kinderärztin Baradari als „eklatanten Fehler“, da es gerade in der Kinderkrankenpflege brenne. Hier müsse nachgebessert werden, um den Pflegeberuf generell attraktiver zu gestalten und „Abwanderungen“ zu verhindern. Fakt ist: Es herrscht ein eklatanter Fachkräftemangel und Pflegenotstand, stationäre und ambulante Pflegemöglichkeiten, „wo Menschen in würdigem Charakter versorgt werden“, fehlen allerorts. „Der Bedarf im Kreis Olpe ist um 100% gestiegen“, führte Florian Müller an.
Anpassungen nicht im Treibsand der Bürokratie untergehen
Dass der soziale Wohnungsbau gefördert und die Mieten gedeckelt werden müssen, auch darüber herrschte Einigkeit. Die Mietpreisbremse, so Baradari, sei das eine. Die CO2-Besteuerung werde aber zwangsläufig zu einer Mietnebenkostenexplosion führen. Holger Thamm: „Wir sind gefragt: Bezahlbarer Wohnraum für Alle muss geschaffen werden, damit Teilhabe und Partizipation am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden kann.“ Damit einher geht ein weiteres Thema, das die Caritas beschäftigt und auf die Agenda setzte: Die Unterstützung von Bedürftigen am Beispiel der oftmals bürokratischen und hürdenreichen Übergänge von finanziellen staatlichen Hilfen. Ein Nachjustieren sei auch hier dringend notwendig, um das soziale (Sicherungs-)Netz aufrechtzuerhalten. Angelehnt an die Caritas-Jahreskampagne sollte der Grundgedanke nicht aus den Augen verloren werden: „Das machen wir gemeinsam!“
In anstehenden Hospitationen in verschiedenen Caritas-Einrichtungen erhalten die Kommunalpolitiker nun Gelegenheit, sich ein Bild von der vielfältigen Arbeit „Nah. Am Nächsten“ zu machen. Der Wunsch der Caritas: Auf Grundlage der (Lebens-)Realitäten sollten politische Entscheidungen getroffen und Maßnahmen realisiert werden. „Hier helfen keine unterschiedlichen Beschlüsse oder das Schüren von auf Arbeitspapieren gestützten Erwartungen“, so die vertretene Personalie des Caritasverbandes unisono. „Konkretes Handeln und Umsetzen ist erforde.rlich, um die gesamtgesellschaftlich zentralen Bedürfnisse zu bedienen und die Brände und lodernden Feuer zu löschen.“
(Bild: Caritas fragt nach: Die Kommunalpolitiker Nezahat Baradari (SPD, vorne rechts), Florian Müller (CDU, 2. v. li.) sowie Holger Thamm (Bündnis 90/Grüne; 2. v. re.) stellten sich den Themen der Führungskräfte des Caritasverbandes Olpe.)
Olpe, 02.09.2021
Janine Clemens, Öffentlichkeitsarbeit & PR