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2.000 km bis zur neuen Arbeitsstätte: Caritas bietet tunesischen Pflegekräften mehr als nur ein „berufliches Zuhause“

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2.000 km bis zur neuen Arbeitsstätte: Caritas bietet tunesischen Pflegekräften mehr als nur ein „berufliches Zuhause“

„tarhib harin“ – Herzlich willkommen, hieß es kürzlich für vier tunesische Pflegekräfte, die der Caritasverband Olpe als neue Mitarbeitende begrüßen durfte. Neue Wege gehen – in 2 ½ Flugstunden entfernt. Das hat sich auch der kreisweit größte Arbeitgeber im Gesundheitswesen gedacht und wirkt Nachwuchssorgen im Pflegebereich künftig vermehrt mit einem Anwerben und Beschäftigen von Fachkräften aus dem Ausland entgegen. Notwendige Strategie oder bewusste Entscheidung? „Beides“, so die Caritas-Verantwortlichen, „denn die Versorgung der uns anvertrauten Menschen darf nicht auf der Strecke bleiben.“

Für Sabrine Ben Abdallah, Haykel Ben Rahal, Afif Mezrigui und Ridha Zerdabi, allesamt Pflegefachkräfte in Anerkennung, war es kein leichter Schritt, die tunesische Heimat und ihre Familien zu verlassen, um sich im Sauerland ein neues Leben aufzubauen und beruflich Fuß zu fassen. „Hier in Deutschland haben wir bessere Chancen, unseren Beruf, der uns so viel bedeutet, auszuüben“, erzählt Sabrine Ben Abdallah, die im Seniorenhaus St. Liborius in Attendorn beschäftigt ist. Fakt ist: Dem Pflegenotstand bei uns steht oftmals ein Überangebot von Pflegefachkräften im Ausland gegenüber, „weshalb die Rekrutierung von ausländischem Fachpersonal immer mehr in den Fokus von unseren Pflegeeinrichtungen rückt“, bringt es Julie Peez, Leitung Personalentwicklung und -marketing auf den Punkt. „Fachkräfte anderer Herkunftsländer sind heute schon wertvolle Kolleginnen und Kollegen und werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der Pflege spielen.“

Insgesamt plant der Caritasverband eine Anwerbung von 18 Pflegefachkräften, die in den sechs stationären Einrichtungen im Kreis Olpe tätig sein werden. „In Tunesien haben wir bereits gute Kontakte knüpfen und mit unseren vier ersten Zugezogenen tolle Menschen und wertvolle Unterstützung für unsere Einrichtungen gewinnen können“, so Julie Peez.

„Triple Win“ – ein Gewinn für alle

Eine Tatsache, welcher der Caritasverband Olpe mit Offenheit und Engagement begegnet – aber auch mit dem nötigen Respekt, gilt es doch vielfältige Hürden zu meistern. Unterstützung erhält der kreisweit tätige Verband hier von der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH, die das Projekt „Triple Win“ ins Leben gerufen haben. Das Anwerben von ausländischen Fachkräften und deren Anerkennung soll langfristig ein Beschäftigungsverhältnis sicherstellen dem Personalmangel entgegenwirken.

Neben viel Bürokratie seien jedoch gerade die „weichen Faktoren“ herausfordernd und von elementarer Bedeutung für eine gelingende Integration hier vor Ort. „Unsere neuen Mitarbeitenden sehen sich ja mit einem ganz neuen Lebensentwurf in völlig neuer Umgebung mit großen kulturellen Unterschieden konfrontiert“, so die Pflegedienstleitungen Fabian Henzgen (Seniorenhaus Gerberweg, Olpe) sowie Christopher vom Orde (Seniorenhaus St. Liborius, Attendorn). „Es müssen sich alle Lebenslagen neu einspielen und dabei ist die Familie als wichtige Quelle der Unterstützung nicht greifbar.

Besondere Anforderungen an Lebensperspektive: Willkommenskultur leben

Daher sei die Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen ganz essenziell. Versierte Praxisanleiter in den jeweiligen Caritas-Einrichtungen begleiten die neuen tunesischen Pflegefachkräfte im Arbeitsalltag, „denn auch im Bereich der Pflegedokumentation betreten unsere Mitarbeitenden Neuland“, berichtet Fabian Henzgen. „In der Einarbeitungsphase bedeutet das zunächst einmal Mehraufwand. Unsere Mitarbeitenden wissen aber, dass sich ihr Einsatz lohnt und sie letztlich entlastet werden – von gut qualifizierten Kolleginnen und Kollegen, die fachlich und sprachlich wirklich bei uns angekommen sind“, sind sich die Verantwortlichen des Caritasverbandes sicher. Zudem brauchen die zugewanderten Kolleginnen und Kollegen häufig „einen ethisch-kulturellen Kompass, der ihnen sagt, was in dem ihnen fremden Land geht und was nicht“, bringt es Ute Rullich, Projektmanagerin und Ehrenamtskoordinatorin beim Caritasverband auf den Punkt.

Viele Mitarbeitende der Caritas stehen den neuen Pflegenden hilfreich zur Seite. Ob es um die Wohnungssuche, organisatorische und bürokratische Angelegenheiten, die Begleitung zu Einkäufen und Anlaufstellen oder Spenden für Haushaltsgegenstände und Möbel zur Erstausstattung geht. „Die Resonanz ist toll“, bekräftigte Ute Rullich.

Ehrenamtliche „Willkommenslotsen“ gesucht

Und dennoch: „Wir sind dringend auf der Suche nach ehrenamtlichen ‚Willkommenslotsen‘, die den zugewanderten Pflegekräften ein wenig die Region näherbringen, sie ins soziale Leben in den Dörfern und Gemeinden integrieren und deren Freizeit begleiten. Ein „An-die-Hand-nehmen“ sei gerade zum Start wichtig, um den Menschen aus dem Ausland das Ankommen zu erleichtern. Umgeben von einem tollen Team ist die erste Zeit für Haykel Ben Rahal, der schon seit Februar im Sauerland lebt und in der stationären Altenhilfe im Seniorenhaus St. Liborius tätig ist, gut gelaufen: „Ich bin sehr dankbar für die Chance hier. Alle sind sehr nett und hilfsbereit.“ So langsam kehrt Alltag ein.  

 

Infobox:

  • Der Pflegebereich in Deutschland ist von einem signifikanten Fachkräftemangel betroffen. Aufgrund des demografischen Wandels wird sich die Situation mittel- und langfristig zuspitzen. Dem gegenüber steht ein Überangebot an qualifizierten Fachkräften im Ausland.
  • Vor dem Hintergrund haben die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit (BA) und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH ein gemeinsames Programm ins Leben gerufen, in dem Pflegekräfte aus geeigneten Herkunftsländern für den deutschen Arbeitsmarkt gewonnen, vorqualifiziert und bei ihrer Integration begleitet werden.
  • „Triple Win“ identifiziert, prüft und hält die Voraussetzungen zum gesetzes-konformen Anwerben ein. Zudem wird die Anerkennung der ausländischen Qualifikationen geklärt und notwendige Anpassungsmaßnahmen vorgenommen.

Bild: Ute Rullich und Fabian Henzgen nehmen Ridha Zerdabi (li.), Afif Mezrigui (re.), und Sabrine Ben Abdallah (Mitte) am Düsseldorfer Flughafen in Empfang.

Olpe, 26.04.2023

Janine Clemens, PR & Fundraising